19 Oktober 2016

zwischen AGGRESSIV und KREATIV

Landläufig glaubt man, Adler, Habichte und Falken würden ständig in den Lüften kreisen um nach Beute Ausschau zu halten. Das stimmt so nicht. Greifvögel sind höchstens einmal am Tag aktiv und entwickeln dabei einen Stoffwechsel wie ein Hochleistungssportler. Die Beutejagd verlangt ihnen so viel ab, dass sie sich den Rest des Tages, also 23,5 Stunden, davon erholen müssen, sprich ausruhen. Falkner sagen dazu, sie „stellen“ sich auf. Die meiste Zeit des Tages verbringt der Greifvogel auf einem Baum oder einem Felsen. Still, beobachtend, man könnte fast meinen, er meditiert. Charakteristisch für Greifvögel ist also ihre zielgenaue Aggression in Kombination mit stundenlangen Ruhephasen, die man auch „Greif-Meditation“ nennen könnte.
 
Das Wort Aggression kommt aus dem Lateinischen und ist erst einmal wertneutral. Es setzt sich aus den Silben ag für „zu, nach hin“, gradi für „schreiten, festen Schrittes gehen“ und gradus für „Schritt“ zusammen. Aggression könnte man also von seinem Ursprung her mit „Festen Schrittes zu etwas hingehen“ übersetzen Demnach wäre jede zielgerichtete Aktivität als aggressiv einzustufen. Heute fasst man den Begriff Aggression natürlich wesentlich enger.

Das Wort Meditation kommt ebenfalls aus dem Lateinischen, und heißt übersetzt „nachdenken, nachsinnen, überlegen“. Der Ursprung der Meditation wird im Fernen Osten vermutet, genauer dem heutigen Afghanistan, wo sie vor gut 4000 Jahren als eine Art spirituelle Geistessschulung entwickelt wurde.
Heute befassen sich Neurowissenschaftler mit den Auswirkungen der Meditation auf unser Gehirn. Sie untersuchen beispielsweise die Gehirne von buddhistischen Mönchen während ihrer Meditation in einem MRT. Dabei haben sie festgestellt, dass regelmäßiges meditieren speziell den präfrontalen Kortex aktiviert und stärkt. Das ist der Bereich im Gehirn, der für unsere Entschlossenheit, unsere Handlungsbereitschaft, unser Planungsvermögen und unsere Problemlösungen zuständig ist – und der normalerweise leider eher schlecht entwickelt ist. Außerdem werden während einer Meditation im Gehirn Thetawellen erzeugt. Thetawellen (7 - 4 Hz) sind die Wellen des Unterbewussten. Sie kommen besonders im Traum, in der Meditation, bei Gipfelerfahrungen und während kreativer Zustände vor.
 
Kurz gesagt macht es die Mediation für uns also leichter, 
 kreativ, lösungsorientiert und punktgenau zu handeln.
Vielleicht können Greifvogel nur deshalb so zielgerichtet handeln,
weil sie die meiste Zeit des Tages meditierend zubringen?
 
Die roten Augen eines Uhu-Weibchens wechseln kaum merklich
zwischen unverhohlener Aggression und konzentrierter Beobachtung.

Ein Junge aus Afghanistan/Kabul malt ein feuerrotes Haus ohne Fenster und mit verschlossener Tür.

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Meine blog-Einträge werden mit Zeichnungen von geflüchteten Menschen begleitet,
die in Hamburg angekommen sind. Sie sind auf
Kunstaktionen vor ihren Notunterkünften entstanden.
Es ist mir eine große Ehre, dass ich dabei fotografieren durfte.
DANKE! 
 

12 Oktober 2016

SINN & UNSINN - alles von Bedeutung

Am Wochenende habe ich an einem wunderbaren social-media-Seminar bei #katarinaHH teilgenommen und viel über Facebook, Twitter, Instagramm und Google+ gelernt.
Zum Beispiel, dass es, wenn ich erfolgreich im social-media-Bereich tätig sein möchte, auf meine innere Haltung ankommt. Dass ich ganz klar zwischen meinen privaten Belangen (also, dass, was ich für mich behalten möchte), meinen persönlichen Interessen (also dem, was ich anderen mitteilen möchte) und meinem öffentliches Leben (also meine beruflichen Ambitionen) unterscheiden muss. Dass ich mit meinen Beiträgen möglichst authentisch sein sollte und dass das Teilen und Kommentieren anderer Beiträge genauso wichtig ist wie meine eigenen Aktivitäten. 

Wie im richtigen Leben also. 
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Das Dumme ist nur, dass nicht ich oder die anderen Teilnehmer in den sozialen Netzwerken entscheiden, was wichtig und wertvoll genug erscheint, um von vielen gelesen zu werden. Das entscheidet allein ein Algorithmus. Facebook hat ihn, Google hat ihn und Amazon mit Sicherheit auch. 
Dieser Algorithmus ist ein wohlbehütetes Geschäftsgeheimnis und wird permanent  überarbeitet, denn er soll in kürzester Zeit darüber entscheiden, was von Relevanz, sprich von Bedeutung ist - und was nicht. Er entscheidet, welche Beiträge an viele andere Teilnehmer verteilt werden und welche hintenüber fallen. Jede Dienstagnacht werden beispielsweise auf Facebook kleine, beinahe unmerkliche Veränderungen im Programmcode eingepflegt, um bedeutende Beiträge besser herauszukristallisieren  damit sie möglichst oft weitergeleitet werden.. 
Aber wer entscheidet nun, was auf Facebook und Co von Bedeutung ist? Das sind die vielen Verkaufsplattformen, die dort werben dürfen. Je besser es gelingt, zum richtigen Zeitpunkt und am richtigen Ort den richtigen „User“ mit einer passenden Werbung zusammenzubringen, desto effizienter arbeitet der Algorithmus - und desto mehr wird verkauft.
 
So einfach ist das. Auch wie im richtigen Leben.
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Viele Menschen suchten letztes Jahr in Hamburg Schutz.
Hamburg hat daraufhin große Containerdörfer errichten lassen und entsprechend
viele Container auf Jahre hin angemietet.
Aufgrund eines Bürgervertrages mit den Flüchtlingsinitiativen dürfen heute
aber keine großen Unterkünfte mehr gebaut oder bezogen werden.
Daher stehen viele dieser angemieteten und bereits aufgestellten Container einfach leer.
(und kosten natürlich Monat für Monat richtig viel Unterhalt und Miete)
 
Diese vielen leeren Container könnten doch ein lebendiger Ort für
verschiedenste Begegnungen mit den neu Angekommenen werden:
 zum Geschichten erzählen und zum gegenseitigen Kennenlernen.  

Leerstehende Container
 als spannende Begegnungsstätten und
offene Spiel-Räume für (interkulturelle) Kunst natürlich auch.

Das wär doch was.
 
"Tafel der Begegnung" vor einer Flüchtlingsunterkunft 
 
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Meine blog-Einträge werden mit Zeichnungen von geflüchteten Menschen begleitet,
die in Hamburg angekommen sind. Sie sind auf
Kunstaktionen vor ihren Notunterkünften entstanden.
Es ist mir eine große Ehre, dass ich dabei fotografieren durfte.
DANKE! 
 

05 Oktober 2016

Der Zorn der Sterbenden


darüber spricht man nicht

 
Sterbende Menschen können manchmal richtig wütend werden. Dabei ist wütend noch eine harmlose Bezeichnung. Wutentbrannter oder blinder Zorn trifft es besser. Ich habe diese Wut, sterben zu müssen, mehrfach erlebt. Merkwürdigerweise betrifft das häufig Menschen, die in ihrem Leben Führungspositionen innehatten. Die es also gewohnt waren, weitreichende Entscheidungen zu treffen und dadurch das Leben vieler anderen Menschen nachhaltig mitzubestimmen. Menschen aus dem Management, der Wirtschaft, der Politik.
 
Sterbende halten ihre Wut am Lebensende nicht mehr zurück, sondern leben sie rückhaltlos aus. Sie zeigt sich in hochaggressiven verbalen Attacken, theatralischen Schimpftriaden, permanentem Nörgeln oder streitsüchtigen Bemerkungen. Kurz, sterbende Menschen können manchmal unausstehlich, hinterlistig und durchtrieben sein. Keiner ist davor sicher, weder Freunde, Familie, Kollegen oder andere nahestehende Menschen. 
 
Viele Angehörige und Wegbegleiter sind darauf in keiner Weise vorbereitet – wie auch – nehmen die aggressive Wut persönlich und wenden sich ab. Sie ist auch schwer zu ertragen, doch dahinter steht oftmals der Neid auf alle diejenigen, die nicht in absehbarer Zeit sterben müssen und weiterhin ihre Träume und Wünsche realisieren können.
 
Vor allem aber auch die Angst davor, dass es kein gutes Bild von ihnen geben wird,
das nach ihrem Tod in der Erinnerung der Hinterbliebenen einen Platz finden könnte. 
 
Welches Bild von mir möchte ich in den Köpfen der Menschen wissen, die mir wichtig sind?
 
Die Blüte des Zornes ist die Raserei.
Euripides

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Meine blog-Einträge werden mit Zeichnungen von geflüchteten Menschen begleitet,
die in Hamburg angekommen sind. Sie sind auf
Kunstaktionen vor ihren Notunterkünften entstanden.
Es ist mir eine große Ehre, dass ich dabei fotografieren durfte.
DANKE!  
Milan, 8 Jahre alt, malt ein grellrotes Flugzeug,
einen Spähpanzer und ein Haus  mit einer grünen Tür.
Grün ist die Farbe der Hoffnung.