02 November 2016

Die NACKTEN und die TOTEN

Die junge Frau, die ich zurzeit im Hospiz begleite, erzählte mit gestern, dass sie gerne ihren Seelenfrieden finden möchte. Sie glaubt, wenn sie ihren Seelenfrieden gefunden hat, könne sie leichter Abschied nehmen und sterben. Sonst würde ihr Sterben zur Qual werden, weil es etwas gibt, das sie hier festhält.
 
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Gestern war der erste November. In den Tagen um den ersten November herum wird überall auf der Welt der Toten (oder der toten Seelen) gedacht  - manchmal grau und ernst so wie hier bei uns, manchmal aber auch grellbunt, ausgelassen und fröhlich. Diese Tage haben so wundersame Namen wie Allerheiligen, Allerseelen oder  auch Tag der Toten. 
In Mexiko wird genau heute und gerade jetzt eben dieser Tag der Toten, der Día de Muertos gefeiert. Es ist eines der wichtigsten Feiertage dort überhaupt und von der UNESCO zum >>> Meisterwerk des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit ernannt. Nach altmexikanischem Glauben kommen die Toten einmal im Jahr zu Besuch aus dem Jenseits und feiern gemeinsam mit den Lebenden ein fröhliches Wiedersehen mit Musik, Tanz und gutem Essen. Der Tag der Toten ist alles andere als trüb und schwermütig. Ganz im Gegenteil, jedes Jahr werden mexikanische Friedhöfe und Hausaltare (ofrendas) mit Geschenken, Essen und Getränken (natürlich Tequila) dekoriert, um die Seelen der Verstorben zurück zur Erde zu locken. Die Seelen finden bei ihrem Besuch auf der Erde also all die Sachen wieder, die ihnen zu Lebzeiten so gut gefallen haben. Auf den Straßen herrscht buntes Treiben. Wohnungen werden prachtvoll mit Blumen, Kerzen und bunten Todessymbolen aller Art dekoriert. Es gibt sogar Totenkopfkekse mit Marzipan und schokoladenüberzogene Zuckerguss-Skelette zum Aufessen. Die lokalen Friedhöfe dienen dabei als Haupt-Austragungsort. Auf den geschmückten Gräbern wird zusammen gegessen, getrunken, musiziert, gesungen und gelacht. .

Alle Dinge sind beseelt.

Thales von Milet
(um 625 - 545 v. Chr.),
griechischer Philosoph und Mathematiker
>>> einer der Sieben Weisen <<<
 
 
 
Genau heute und gerade jetzt startet auch der US-Fotograf Spencer Tunick ein neues Kunstprojekt. Er versammelt zum Tag der Toten und anlässlich des >>> Calaca Festivals in San Miguel 300 nackte Menschen um sich, bekleidet sie mit hauchdünnen, transparenten Stoffen und lässt sie in den trockenen Graslandschaften von Mexiko umhergehen. 


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Es gibt andere Friedhöfe, an denen nicht nur heute, sondern über das ganze Jahr hinweg gespielt, flaniert und ausgeruht wird. Das sind die Friedhöfe im afghanischen Kabul. An den Wochenenden besuchen dort ganze Familien den Kart-e-Sakhi Friedhof. Der Friedhof liegt im Westen Kabuls und gehört zu den größten der Stadt. Er ist eine Oase des Friedens und der Ruhe. Ein Ort, an dem auch Frauen draußen an der frischen Luft sein können, ohne Angst haben zu müssen. Eine Oase des Friedens in einem zutiefst uneinigem Land – ein Ort, an dem man die Seele baumeln lassen kann
 
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Meine blog-Einträge werden mit Zeichnungen von geflüchteten Menschen begleitet,
die in Hamburg angekommen sind. Sie sind auf
Kunstaktionen vor ihren Notunterkünften entstanden.
Es ist mir eine große Ehre, dass ich dabei fotografieren durfte.
DANKE!

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Die Nackten und die Toten ist der 1948 erschienen Debütroman von Norman Tailer. Er schrieb selber dazu: "Der Riesenerfolg des Buches ,Die Nackten und die Toten' warf mich beträchtlich aus der Bahn, und ich verbrachte die darauffolgenden Jahre damit, das Leben zu verschlingen wie ein siegreicher Mann - obwohl ich noch gar kein Mann war und auch gar kein Talent, das Leben zu genießen. Ich war prominent, und ich war leer. Ich mußte das Leben wieder von vorn anfangen."