Frühschwimmen heißt zuerst einmal, früh aufzustehen. Viele Bäder haben schon ab 6:30 geöffnet, und so mache ich mich kurz nach dem Vogelgeschrei in der Morgendämmerung auf den Weg.
Frühschwimmen ist das Domizil der Alten. Während ich eher ungeschickt meine Bahnen ziehe, ist das nicht zu übersehen. Ich ziehe sie gemeinsam mit sehr vielen alten Frauen. Dreißig Minuten später stehe ich mit ihnen nackt unter der Dusche. Eine besondere Atmosphäre, in der ich mich eher als Eindringling fühle. Den alten Frauen scheint es egal zu sein. Ich sehe verstohlen auf ihre alten Körper, lausche ihren Gesprächen, belausche sie.
Nackt unter der Dusche kommen sie mir nahe. Ihre nackten Körper sprechen Bände, erzählen von einem langen Leben, von Vorlieben und Gewohnheiten, von Krankheiten und von ihrer Einzigartigkeit, unverhüllt und unverwechselbar. Es gibt nichts zu verstecken. Und es gibt keine Scham. Von Dusche zu Dusche nehme ich eine Vertrautheit wahr, die mir fremd ist.
Die Gespräche der alten Frauen und der Anblick ihrer nackten Körper haben eine eigene Magie. Sie erzählen von früher, von heute und von einem Stolz, noch da sein zu dürfen. Das ist etwas Schönes. Also werde ich in den kommenden drei Wochen wiederkommen. So oft, wie es passt zum Frühschwimmen gehen, um den Gesprächen der alten Frauen zu lauschen. Und schauen, was passiert.
Heute ist Tag eins.
___
Flüchtlingsunterkunft - zwei Stunden täglich Dusche nur für Frauen - Pappkartons als Sichtschutz
Meine blog-Einträge werden mit Zeichnungen von geflüchteten Menschen begleitet,
die gerade in Hamburg angekommen sind. Sie sind auf
Kunstaktionen vor ihren Notunterkünften entstanden.
Es ist mir eine große Ehre, dass ich dabei fotografieren durfte.
DANKE!